Heute sind doch alle magersüchtig

"Heute sind doch alle magersüchtig" – so habe ich, Nora Burgard-Arp, mein Projekt genannt, das aufklären und Vorurteile abschaffen soll. Ich will die Krankheit, die hinter dem Begriff “Anorexia nervosa” steht, in den Vordergrund rücken. Magersucht ist mehr als nur das Verfolgen eines Schönheitsideals!

Auf dieser Webseite konfrontiere ich das Bild, das die Boulevard-Presse gern zeichnet, mit wissenschaftlichen Fakten und echten Beispielen aus dem Leben von Menschen, die an Magersucht erkrankt sind. 

Wissenschaftler*innen forschen seit Jahrzehnten an den Gründen und Ausprägungen der Anorexia nervosa. Trotzdem sind viele Fragen noch unbeantwortet. Ich möchte diese Fragen beleuchten, den aktuellen Forschungsstand präsentieren und zur Debatte anregen.

Und ich will zeigen, dass nicht alle magersüchtig sind, die sich nach einer schlanken Figur sehnen oder wenig essen. Die Ausprägungen einer echten Anorexie und ihre Symptome – sie können ganz unterschiedlich sein. Die Magersucht lässt sich nicht in eine Schublade packen. 

Über mich

Ich schreibe als freie Journalistin und Autorin für zahlreiche überregionale und regionale Medien. Ich habe in Köln Germanistik, Anglistik und Philosophie studiert und im Anschluss Journalismus an der Hamburg  Media  School.  2015 und 2018 wählte mich das Medium Magazin unter die "Top Ten Wissenschaftsjournalist*innen des Jahres", 2015 gewann ich den 1. Platz beim Reportagepreis für junge Journalist*innen und war außerdem für den Grimme Online Award nominiert. 


Die Magersucht war und ist „jemand“, der leider immer wieder auftaucht und versucht, über mein Verhalten zu bestimmen, mein Leben einzunehmen und mir vorzuschreiben, wie ich seiner Meinung nach leben soll.


Daniela, 23 Jahre

Die Essstörung bestimmt seit ich 17 Jahre alt bin jeden einzelnen Tag meines Lebens. Es gibt Phasen, da fühle ich mich einigermaßen unabhängig, aber die meiste Zeit steuert sie meinen Tag, mein Essen, meine Gedanken und Gefühle.

Julian, 24 Jahre

Ich habe für die Magersucht gelebt. Sie war meine beste Freundin, meine bessere Hälfte. Sie hat mich perfekt gemacht und ich konnte mich so als Mensch akzeptieren. Ich konnte ihr alles anvertrauen, mich bei ihr fallen lassen und sie hat mir Halt, Struktur und einen Lebenssinn gegeben

Sophia, 20 Jahre

Die für mich sehr unangenehme Ausführung der Essstörung im Alltag war mir vertraut und wenn ich am Boden bin, ist es ein angenehmes Gefühl, an einen vertrauten Ort zurückzugehen

Betty, 27 Jahre

Anorexia is my everything. It is my time planner, my motivation to do something and my excuse not to do something. It is the reason for my pride as well as my shame, my joy and my pain. It is my strength and my weakness, my friend and my foe, my armor and my Achilles’ heel.

Regina, 24 Jahre

Ich wollte die Krankheit lange nicht aufgeben, weil sie mir ein Gefühl von Stärke und Selbstkontrolle gegeben hat, was ich brauchte.

Marie, 25 Jahre

Viele denken, es ginge mir nur um Aufmerksamkeit. An die Verzweiflung denkt niemand. Daran, dass man nicht mehr kämpfen und sich womöglich sogar etwas antuen will, um erlöst zu sein. Stattdessen wird gesagt: Iss doch einfach.

Julian, 24 Jahre


It pisses me off that people think that anorexia is a choice, and that only rich girls who want to model have it. It's not a choice, and no one would ever choose this. It doesn't fit with my values or who I want to be but I can't control it.

Meg, 23 Jahre

So many people don't realize what the process of recovery is like, you don't just suddenly get better. Anorexia isn't a 'phase', it is not a joke and it is not just about food.


Imogen, 19 Jahre

Sie will halt dünn sein, um gut auszusehen!’ So ein Schwachsinn, ich weiß selbst, dass Knochen, eingefallene Wangen und tiefliegende Augen nichts mit Ästhetik zu tun haben!

Franziska, 25 Jahre

Wenn ich Sätze wie ‚zu dünn ist doch gar nicht schön’ zu hören bekomme, merke ich, dass die Leute nicht verstanden haben, dass mehr hinter der Krankheit steckt als nur der Wunsch nach einer schlanken Figur.

Marie, 25 Jahre

Merkmale der Anorexia nervosa (nach ICD-10-Klassifizierung)

Es gibt zwar in Deutschland keine offiziell bestätigten Zahlen zur Häufigkeit dieser Essstörung, die Zahl der Erkrankten wird aber auf 0,3 bis 1 Prozent der Bevölkerung geschätzt.

BMI unter 17.5

Das tatsächliche Körpergewicht liegt mindestens 15% unter dem erwarteten Gewicht oder unter einem BMI (Body-Mass-Index) von 17,5.

Körperschemastörung

Die eigene Gewichtsschwelle wird sehr niedrig angelegt und die tiefverwurzelte Angst vor Gewichtszunahme ist überwertig.

Gewichtsverlust

Der Gewichtsverlust wird selbst herbeigeführt durch: 

  • Vermeidung von hochkalorischen Speisen
  • absichtliches Erbrechen
  • absichtliches Abführen
  • übertriebene körperliche Aktivität und/oder
  • Gebrauch von Appetitzüglern oder Entwässerungsmittel



Essstörung ist nicht gleich Essstörung! 

Bulimie (Bulimia nervosa)

Die Erkrankten verschlingen in regelmäßig auftretenden Fressattacken bis zu 10.000 Kilokalorien (kcal). Danach versuchen sie der dadurch drohenden Gewichtszunahme entgegenzusteuern: Sie erbrechen absichtlich, hungern erneut, treiben exzessiv Sport oder benutzen Abführmittel. In den meisten Fällen sind Bulimiker normalgewichtig. Auch wenn der Anteil an Frauen höher ist: Von der Krankheit können ebenfalls wie bei der Anorexie sowohl Frauen als auch Männer betroffen sein.

Binge Eating

Ähnlich wie bei der Bulimie treten auch hier unkontrollierte Fressattacken auf, die stundenlang dauern können. Im Gegensatz zu den Bulimie-Kranken, behalten die Betroffenen das Gegessene bei sich und haben dementsprechend häufig Übergewicht. 

Alle Essstörungen können sich abwechseln und ineinander übergehen. Bei schätzungsweise 20 Prozent der Anorexie-Kranken entwickelt sich zum Beispiel im Laufe der Zeit aus der Magersucht eine Bulimie. Zudem gibt es zahlreiche Zwischen- und Mischformen wie die bulimische Anorexie, auch Anorexia Purging-Typ genannt, bei der die Erkrankten zwar keine bulimischen Fressattacken haben, das Gegessene jedoch auch erbrechen. 

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